Fotos © Robert Wimmer

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 27. April 2013

»Auf Begabung kann man nicht bauen«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Joachim Meyerhoff

Burgtheater-Star Joachim Meyerhoff über seinen Wechsel ans Hamburger Schauspielhaus, seinen Bezug zu Wien, die Mischung aus Biographie und Fiktion in seinen Romanen – und über seine Liebe zu Bäumen.


"Wiener Zeitung": Herr Meyerhoff, Sie wurden im Vorjahr in der Kategorie "Bester Schauspieler" mit dem Nestroy-Preis ausgezeichnet und zählen zu den meistbeschäftigten Schauspielern des Burgtheater-Ensembles. Trotzdem werden Sie ab Herbst an das Schauspielhaus Hamburg wechseln. Das hat sicher einen Grund.

Joachim Meyerhoff: Das hat viele Gründe. Ich bin nun seit sieben Jahren an der Burg und es gibt auch eine mich selbst überraschende Dichte an wichtigen Inszenierungen, die ich hier spielen durfte. Aber als Schauspieler braucht man auch einmal einen Tapetenwechsel, Anregung durch neue Kollegen, neue Regisseure - einfach unbekannte Konstellationen. Hinzu kommt, dass mich mit Karin Beier, die in Hamburg Intendantin wird, eine gute Arbeitsbeziehung verbindet, und es ist einfach toll, wenn man da gefragt wird. Ein Neuanfang hat immer etwas Aufregendes.

Das Hamburger Schauspielhaus ist für Sie an sich kein neues Terrain.

Nein, dort habe ich schon mit Edgar Selge "Faust" gespielt. Ein wirklich tolles Haus, wenn auch durch seine Größe kompliziert zu bespielen. Man hat oft den Eindruck, es wartet darauf, erweckt zu werden. Ich glaube, dass Karin Beier das gelingen wird.

Spielt mitunter auch eine gewisse Sehnsucht nach dem Norden eine Rolle für Ihren Wechsel nach Hamburg?

Auf jeden Fall. Ich komme ja aus dem Norden und möchte nun auch ein bisschen mehr zu Hause sein. Bisher habe ich meine ganze Theaterlaufbahn damit verbracht, von Norddeutschland möglichst weit weg zu kommen. Jetzt merke ich das erste Mal, dass ich ein bisschen Heimweh habe.

Hier in Wien haben Sie also eher keine Wurzeln geschlagen?

Im Gegenteil! Tiefe Wurzeln! Schließlich gehen auch meine beiden Töchter hier zur Schule. Mein Arbeitsschwerpunkt wird in der kommenden Spielzeit Hamburg sein, mein Lebensmittelpunkt Wien bleiben. Ich werde ja auch alle Aufführungen, die momentan am Burgtheater laufen, weiter spielen.

Sie meinen, das lässt sich miteinander verbinden?

Das weiß ich noch nicht! Aus heutiger Sicht kann ich wirklich nicht sagen, ob das im Chaos mündet, ob das alles viel zu viel ist, aber genau das brauche ich derzeit offensichtlich. Man wird sehen, ob ich alles zusammen bekomme. Deshalb gibt es vorerst auch nur einen Einjahresvertrag.

Weil Sie zuvor das Thema Heimweh angesprochen haben: In einem Radiointerview ließen Sie anklingen, dass Ihnen Bäume eine Art Heimatgefühl vermitteln können.

Ja, das ist so, und ich muss das kurz beschreiben, weil es sonst nach einer vergeistigten, esoterischen Anwandlung klingt. Doch es hat im Grunde einen ganz handfesten, botanischen Auslöser: Ich mag einfach Bäume gerne, und in allen Städten, in denen ich immer wieder bin, kenne ich ganz bestimmte Bäume, die mich faszinieren. Ich könnte Ihnen auf Anhieb zehn Bäume in zehn Städten nennen, die irgendwie eine Rolle für mich spielen. Und dort gehe ich dann gerne hin und sehe sie mir an. Ich umarme sie nicht, rufe auch nichts in die Kronen, sondern finde sie einfach überwältigend schön. Der Punkt ist, dass sie eine beruhigende Stabilität in sich tragen, verlässlich an einem Ort stehen. Es gibt nichts Grauenhafteres, als wenn man in eine neue Wohnung einzieht und eine Woche später werden im Innenhof die Bäume gefällt.

Ich hoffe, das ist Ihnen in Wien nicht passiert und mit ein Grund, warum Sie weggehen?

Nein, es ist keine Baumenttäuschung, die mich aus Wien treibt. Ich wohne im dritten Bezirk, schräg gegenüber ist der Rennweg mit dieser herrlichen Jacquin-Platane, sozusagen das Gegenstück zur Lessing-Linde, die in Hamburg auf einem kleinen Friedhof steht. Eigentlich freue ich mich auch an der Historie dieser Bäume.

Spätestens jetzt, nach der Veröffentlichung Ihres mittlerweile zweiten autobiographischen Romans, "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war", ist Ihre Doppelbegabung Schauspielkunst und Schriftstellerei kein Geheimnis mehr.

Wissen Sie, das mit der Begabung ist immer so eine Sache. Begabung, das klingt nach etwas Verlässlichem. Aber in beiden Berufen bleibt sie etwas Wackeliges. Auch am Theater, mit jeder neuen Produktion. Momentan stehen gerade die "Tartuffe"-Proben mit Gert Voss an – und da denkt man schon: Wie weit ist das nun wirklich mit der Begabung? Was ist die Substanz davon? Diese Fragen werden sich sicherlich auch aufdrängen, wenn ich meinen nächsten Roman beginne. Begabung ist nichts, worauf man bauen kann. Es ist eher eine Art Verbundenheit mit den Dingen, die einem keine Wahl lassen, als sich auch damit zu beschäftigen.

(Interview-Auszug)

 

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