Fotos © Robert Wimmer

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 29. Juni 2013

»Ich bin für die Schauspielerei verdorben«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Miguel Herz-Kestranek

Der Schauspieler über falsches Künstlergehabe, die mangelnde Qualität der meisten Fernsehfilme, seine Liebe zum jüdischen Witz und zum "Jüdeln".

"Wiener Zeitung": Herr Herz-Kestranek, Sie haben der "Wiener Zeitung" Ihre Stimme für den Radio- und TV-Spot zur Verfügung gestellt. War dies schlicht ein kommerzieller Auftrag oder verbindet Sie darüber hinaus etwas mit der "Wiener Zeitung"?

Miguel Herz-Kestranek: Nein, ich arbeite für Geld. Vor 20 Jahren habe ich auch Werbung gesprochen und wurde dafür oft gescholten. Dabei waren es meist wenige Spots und so habe ich aufgehört, weil ich ohnehin wenig dabei verdient hatte.

Nun hat es sich aber wieder ergeben.

Ja, ich wurde gefragt, und da die "Wiener Zeitung" eine gute Zeitung ist, habe ich es gemacht.

Das ist eine gute Gelegenheit zu erfahren, wie lange es schlussendlich dauert, bis ein wenige Sekunden dauernder Werbespot aufgenommen ist?

Wenn man es kann, vielleicht eine Stunde, aber die eigentliche Arbeit dauert Jahrzehnte, nämlich: Können aufzubauen. Wenn man es nicht kann, dauert es Stunden und zuletzt wird wer anderer genommen. Es ist ein Können-Beruf wie Schauspielerei überhaupt, und können kann man nie genug.

Hier in Ihrer Wohnung im 8. Bezirk sieht man sich buchstäblich umringt von Büchern. Sie haben mittlerweile 13 Bücher veröffentlicht, zuletzt den Titel "Die Frau von Pollak oder Wie mein Vater jüdische Witze erzählte". Würden Sie sagen, dass es sich bei diesem Werk um eine Spurensuche in Ihre eigene Vergangenheit handelt oder ist es eher eine Spurensicherung von alten jüdischen sprachlichen Traditionen?

Beides. Über kleine Notizen, die mein Vater hinterlassen hat, habe ich versucht, mich an all die Geschichten und Witze zu erinnern, die in meiner Familie erzählt wurden. Ich habe ja die Gnade der Frühverkalkung, das heißt, ich erinnere mich für Gage gerade noch an Texte, die ich gerade können muss, aber sonst an kaum etwas.

Anhand der stichwortartigen Aufzeichnungen Ihres Vaters wurde Ihr Erinnerungsvermögen somit wieder wachgerufen?

Teilweise. In meinen Büchern fließt oft Biographisches ein, auch Teilerfundenes, wenn es literarisch nützt. Insofern ist es eine erweiterte Spurensicherung. Es ging mir aber zuerst einmal darum, zu bewahren, was es in literarischer Form kaum mehr gibt. So habe ich aus sogenannten jüdischen Witzen kleine Geschichten gemacht. Die lassen sich zwar nicht so gut erzählen, aber umso schöner lesen. Man gleitet von einer Geschichte in die nächste und taucht dazu ein in Erinnerungen an meinen Vater und andere Familienmitglieder, an Erlebtes und Erlachtes.

Mitunter sind es auch längere Geschichten.

Ja, solche, die nicht mit knalligen Pointen enden. So wie bei jüdischen Witzen überhaupt die Pointe immer mehr ist. Ich beginne mein Buch auch mit dem Satz: "Der jüdische Witz ist kein Witz", und schreibe später: "Jüdische Witze sind immer weise und wenn sie nicht weise sind, sind es keine jüdischen Witze, sondern nur Witze. So sagte es jedenfalls mein Vater und von ihm habe ich gelernt, jüdische Witze ernst zu nehmen."

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