Fotos © Robert Wimmer

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 10. März 2007

»Auch Künstler stehen unter Wettbewerbsdruck«

Karlheinz Essl im Gespräch mit Christine Dobretsberger

"bauMax"-Chef und Kunstsammler Karlheinz Essl über die Preisbildung am Kunstmarkt, den Zusammenhang von Wirtschaft und Kunst – und warum Bilder im Büro die Kreativität fördern.


Wiener Zeitung: Am internationalen Kunstmarkt mehren sich in letzter Zeit Meldungen von spektakulären Gemälde-Ankäufen. Für Werke von Klimt oder Picasso werden Summen geboten, die weit über der 100-Millionen-Dollar-Grenze liegen. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung – und wer definiert diese Preise?

Karlheinz Essl: Das ist die große Frage: Kann man einen Künstler bzw. einen Kunstmarkt machen? Teils ja, teils nein. Letztendlich ist es aber so, dass es diesbezüglich eine stille Übereinkunft in der Kunstwelt gibt.

Wie kommt es zu dieser Übereinkunft?

Vielleicht ist es am besten, dies anhand eines Beispiels zu erläutern, etwa an der Neuen Leipziger Schule.

Der Sie ja im Vorjahr mit "made in Leipzig" eine Ausstellung gewidmet haben.

Ja, diese Ausstellung kam deshalb zustande, weil ich im Jahr 2003 in Leipzig erstmals mit Werken von Neo Rauch, Tilo Baumgärtel, Martin Kobe und Christian Brandl konfrontiert wurde. Mich elektrisierte diese Ausstellung auf Anhieb dermaßen, dass ich sofort in Galerien ging und entsprechende Ankäufe tätigte – was ich üblicherweise nie so schnell mache.

Was ist das Besondere an diesen Werken?

Die Technik, die Art, wie sie gemacht sind, aber auch die Inhalte. Man spürt, dass diese Künstlergruppe Malerei macht, die jung, neu und frisch ist. Und das ist genau das, was ich sagen will: Plötzlich brechen am Kunstmarkt neue Strömungen auf – und alles geht Schlag auf Schlag: Sammler werden aufmerksam, und mit dem wachsenden Interesse steigen die Preise. Nicht jeder kann sich einen Picasso oder die "Goldene Adele" leisten. Wichtiger ist deshalb die Frage: Wer sind die Picassos der nächsten Jahrzehnte?

Das spekulative Moment ist dabei ein wesentlicher Faktor?

Natürlich spielt Spekulation am Kunstmarkt eine große Rolle. Schließlich will man rechtzeitig bei einem Trend mit dabei sein. Die Preise, die heute bei Versteigerungen für Leipziger Kunst gezahlt werden, betragen ein Vielfaches von dem, was ich seinerzeit investiert habe. Und das in einem Zeitraum von zwei, drei Jahren!

Auf den Punkt gebracht: Bei der Sammlerleidenschaft spielen sowohl ästhetische wie finanzielle Komponenten eine Rolle?

Sicher spielt beides eine Rolle. Wobei es sich in unserem Fall doch ein bisschen anders verhält. Bei uns ist der spekulative Bereich nicht vorhanden, weil wir ja das Museum haben. Natürlich freut man sich, wenn die Bilder teurer werden, aber das ist ein rein theoretischer Wert.

Welche Motivation steckt hinter dem Ankauf eines Picassos um 120 Millionen Dollar? Persönliche Eitelkeit oder Spekulation?

Man kann in das Wesen eines Sammlers freilich nicht hineinschauen. Allerdings: Heute einen Picasso um 120 Millionen Dollar zu kaufen und später einen großen Wertzuwachs zu erwarten, ist schon eine mutige Sache. Das funktioniert eher bei Baselitz oder Kiefer, also den Picassos oder Warhols der neuen Generation. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass sehr viel Geld vorhanden ist, das nach Anlage sucht. Menschen, die viel Geld haben, wollen nicht alles auf eine Karte setzen. Deswegen wird eben auch in Immobilien oder Kunst investiert.

Sie persönlich haben Ihre Sammlertätigkeit in den sechziger Jahren mit dem Wiener Aktionismus begonnen.

Ja, wobei ich mich zuvor auch schon für Herbert Boeckl und den Nötscher Kreis interessiert habe.

Geschehen die Ankäufe immer in Absprache mit Ihrer Frau?

Im Großen und Ganzen, ja.

Ihre Frau war in den fünfziger Jahren in einer New Yorker Galerie tätig. Hat dies Ihr Interesse für moderne Kunst beeinflusst?

Auf jeden Fall. Sie war der Mentor. Ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen. Ich war zu diesem Zeitpunkt aus ganz anderen Motiven in New York. Mein Vater hatte einen Lebensmittelgroßhandel. Ich wollte mich in der Branche umsehen, weil ich Supermärkte bauen wollte.

Sie haben Ihre Frau erst in New York kennen gelernt?

So ist es. Und gleichzeitig bin ich erstmals intensiv mit moderner Kunst in Berührung gekommen.

Woher beziehen Sie Ihre Bilder hauptsächlich?

Das ist ganz unterschiedlich. Teilweise bei Ausstellungen und Auktionen, teilweise direkt bei den Künstlern. Wichtig ist, dass der Künstler in einem bestimmten Kontext zu unserer Sammlung steht. Dann versuchen wir, Werkblöcke zu kaufen, zumal es schön ist, von einer Serie auch ein zweites oder drittes Bild zu haben. Dadurch lässt sich die Entwicklung eines Künstlers viel besser darstellen.

Wie ist das persönliche Verhältnis zwischen Sammler und Künstler? Haben sich Freundschaften daraus entwickelt?

Einen Großteil der Künstler, die in unserer Sammlung vertreten sind, kennen wir persönlich. Zu einigen gibt es eine sehr intensive Beziehung, die sich über viele Jahre entwickelt hat, etwa zu Günter Brus, Arnulf Rainer, Josef Mikl, Markus Prachensky, Hubert Scheibl, Franz West und Elke Krystufek.

Gibt es auch Kontakte zu anderen Privatsammlern?

Natürlich. Es kommen oft Sammler zu mir und schauen sich das Museum an. Übrigens wird die "Sammlung Essl" in Zukunft "Essl Museum" heißen.

Warum?

Um für Außenstehende eine klarere Abgrenzung zu schaffen: Sammlungen und Museen sind ja zwei verschiedene Dinge.

Seit Beginn Ihrer Sammlertätigkeit weisen Sie immer wieder darauf hin, dass es eines Ihrer Ziele ist, Wirtschaft und Kunst in einen befruchtenden Kontext zu stellen. Wie darf man sich das in der Praxis vorstellen?

Grundsätzlich meine ich, dass Künstler Seismographen für Entwicklungen in der Gesellschaft sind. Herauszufinden, was ihre Überlegungen sind, ist daher sehr spannend. Das verhilft dazu, einen genaueren Blick auf die Welt zu bekommen. Was wiederum für uns in der Wirtschaft wichtig ist. Denn wir müssen ebenfalls langfristig planen.

vWie lässt sich das am konkreten Beispiel bauMax illustrieren?*

bauMax war ein rein österreichisches Unternehmen. Durch den Fall des Kommunismus haben wir die Chance ergriffen, nach Osteuropa zu expandieren. Das war eine wichtige strategische Entscheidung, die für unser Unternehmen von enormer Bedeutung war. Es stellt sich ja immer die Frage, wie man sich am Markt behaupten kann. Und da ist es wichtig, kreativ zu sein. Im Grunde ist der Konsument sehr brutal. Ihm geht es um seinen Vorteil, um den besten Preis, die besten Produkte und um die beste Dienstleistung. Wo diese Komponenten zusammentreffen, wird gekauft. All das dem Konsumenten bieten zu können, dazu bedarf es großer Kreativität. Man muss immer einen Schritt voraus sein. Es gibt ein treffendes englisches Sprichwort: "If you don‘t make dust, you eat dust." Das bezeichnet die Brutalität der Wirtschaft. Damit müssen wir leben.

Und worin liegt nun die Verbindung zur Kunstwelt?

Auch die Künstler stehen heute unter einem enormen Wettbewerbsdruck. Ein Künstler muss etwas Singuläres schaffen, etwas erfinden, was noch nicht da war. Selbst dann, wenn ein Künstler eine gewisse Position erreicht hat, muss er sich stets weiterentwickeln. Bei uns verhält es sich genauso. Darüber hinaus gibt es aber noch einen zweiten wichtigen Punkt. Ein Kunstwerk ist kein toter Gegenstand, sondern spürbare Energie und Kreativität. Wenn ich mich in den Bildern verliere, kommt etwas zurück, eine Kraft, eine Energie. Das ist wie das Aufladen einer Batterie.

Ist deshalb hier im Schömer Haus, in Ihren Büroräumlichkeiten, Kunst allgegenwärtig?

Ja. Unsere Mitarbeiter haben die Möglichkeit, unsere Bilder für ihre Büros selbst auszusuchen. Jedem soll die Chance eröffnet werden, von Kunst inspiriert zu werden – nicht nur beruflich, sondern auch im privaten Bereich. Am Feedback ist ersichtlich, dass unsere Mitarbeiter ihr Gespür für Kunst intensivieren.

Das klingt ein wenig nach indirekter Kunsterziehung?

Ich würde es lieber Selbsterziehung nennen.

Mit dem Ziel, dass Ihre Mitarbeiter durch die Konfrontation mit Kunst in ihren eigenen Entscheidungsbereichen aufgeschlossener werden?*

Ja, daran glaube ich ganz fest. Man wird kreativer.

Vor zwei Jahren haben Sie den Kunstpreis "Essl Award" ins Leben gerufen, der in jenen Ländern vergeben wird, in denen es auch bauMax-Filialen gibt. Ich nehme an, dahinter liegt ebenfalls eine Strategie?

Das stimmt. Der "Essl Award" wird überall dort vergeben, wo wir mit bauMax vertreten sind, also in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Kroatien sowie in Slowenien. In Zukunft übrigens auch in Rumänien und Bulgarien.

Wie läuft das Procedere dafür ab?

Wir arbeiten mit den Kunstakademien der Hauptstädte dieser Länder zusammen, wo die Studenten die Möglichkeit haben, sich zu bewerben. Aus den Einsendungen jedes einzelnen Landes werden von einer internationalen Jury zehn Künstler nominiert, die in den jeweiligen Städten eine Gemeinschaftsausstellung bekommen. Die jeweiligen Preisträger werden dann in einer großen Ausstellung bei uns präsentiert.

Der "Essl Award" ist somit als Sprungbrett für junge Künstler gedacht?

Als Forum für Künstler, um auch am westlichen Kunstmarkt wahrgenommen zu werden. Zumal die Situation für Künstler in diesen Ländern oft sehr schwierig ist, weil kaum staatliche Förderungen vorhanden sind.

Apropos staatliche Förderungen: In der Vergangenheit übten Sie Kritik, dass in Österreich das Ankaufsbudget des Bundes für Kunstwerke zu niedrig sei.

Das Ankaufsbudget für Museen ist tatsächlich lächerlich gering. Das ist problematisch, weil Museen auch einen kunsthistorischen Auftrag haben. In ihnen muss abgebildet werden, was in der Kunst geschieht. Wo sonst sollen die Schüler an Originalen lernen, was sich in unserer Kunstgeschichte abgespielt hat? Die Museen können gerade noch ihren eigenen Betrieb aufrechterhalten, aber für Ankäufe steht ihnen relativ wenig Budget zur Verfügung.

Sind Sie der Meinung, dass die Ausgliederung der Museen eine gute Entscheidung war?

Die Ausgliederung finde ich sehr gut, weil dadurch die Museumsdirektoren mehr Verantwortung, aber auch mehr Spielraum besitzen. Früher haben die Sektionsräte und Politiker sehr stark eingegriffen. Jetzt sind die Museumsdirektoren freier.

Gibt es in Sachen steuerlicher Absetzbarkeit von Kunst ebenfalls Fortschritte?

Nein, da gibt es hierzulande noch keine Fortschritte. Aber das ist weniger ein budgetäres als ein politisches Problem.

Inwiefern?

Genauso, wie man mit der Kunst nicht die großen Massen bewegen und auch keine Wahlen gewinnen kann, ist es auch bei diesem Thema. Damit kann man, politisch gesehen, nicht viel bewirken. Aber wichtig wäre es natürlich! Für die ganze Kunstszene, vor allem aber für die junge Kunst. Die muss ebenfalls angekauft werden – und wenn es hier Möglichkeiten gäbe, bei denen der Staat bereit wäre, eine Absetzbarkeit zu akzeptieren, würde auch mehr Geld in die Kunst fließen. Es sind schon viele Berechnungen angestellt worden, die zeigen, dass durch eine solche Umwegrentabilität positive Aspekte bewirkt würden.

Verleasen Sie auch Kunstwerke?

Nein, das machen wir nicht. Aber wir stellen sehr viele Bilder für öffentliche Gebäude zur Verfügung. Bundespräsident Fischer hat beispielsweise die Präsidentschaftskanzlei mit unseren Bildern ausgestattet.

Auf welche Gemälde fiel seine Wahl?

Auf eine Kandl, sowie auf Bilder von Rainer, Mikl und Prachensky. Unsere Gemälde hängen übrigens auch im Parlament, im Verwaltungsgerichtshof und in der Industriellenvereinigung. Was den internationalen Kunstmarkt betrifft, gibt es ebenfalls eine rege Leihtätigkeit. Allein im Vorjahr haben wir 740 Kunstwerke aus unserer Sammlung für Ausstellungen rund um die Welt verliehen.

Wie oft wechseln Sie die Bilder in Ihren eigenen vier Wänden?

Das ist ganz unterschiedlich. Gewisse Gemälde bleiben längere Zeit hängen, dann hat man wieder den Wunsch nach einer Veränderung. Momentan hängen viele Bilder von unserer letzten China-Werkschau bei uns zu Hause.

Ist, abgesehen von Ihrem ältesten Sohn Karlheinz, der ja Komponist ist, noch ein anderes Familienmitglied aktiv künstlerisch tätig?

Nein, aber meine ganze Familie ist sehr kunstinteressiert. Um die Bestände der Sammlung über Generationen zu sichern, haben wir für die Sammlung eine Privatstiftung gegründet. Die Sammlung wird also nicht vererbt, sondern soll der Öffentlichkeit erhalten bleiben.

Sie selbst waren allerdings sehr wohl künstlerisch tätig.

Ich habe über vier Jahre Malerei studiert und zehn Jahre lang gemalt, und zwar von 1968 bis 1978. Dann habe ich von heute auf morgen damit aufgehört, weil der Aufbau des Unternehmens jetzt im Vordergrund stand.

Ab 16. März gibt es mit "Passion for Art – 35 Jahre Sammlung Essl" eine große Werkschau zu sehen.

Die Ausstellung umfasst 400 Arbeiten von insgesamt 160 Künstlern, wobei sowohl das Museum als auch das Schömer Haus bespielt werden. Ich denke, es wird eine sehr spannende und zum Teil auch sehr kontroversielle Ausstellung werden. In jedem Fall ein schönes Fest für Künstler und Kunstfreunde.

Auf das Sie sich sichtlich schon sehr freuen!

Natürlich. Aber davon abgesehen, gibt es bisweilen auch im Alltag herrliche Erlebnisse. Ab und zu blättere ich in den Eintragungen, die Museumsbesucher hinterlassen. Zuletzt entdeckte ich ein Statement von einem Buben. Er schrieb: "Ich bin Felix und gehe nach einem aufregenden Tag in der Sammlung Essl in die Welt hinaus". Ist das nicht wunderbar? Alleine für so etwas rentiert es sich, dass man sich anstrengt.

Wiener Zeitung

 

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