© Franz Svoboda
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INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 15. April 2023
»Wir sind politisch sehr wachsam«
Christine Dobretsberger im Gespräch mit Ruth Wodak und Heidi Schrodt
Seelenverwandte (Folge 19): Ruth Wodak und Heidi Schrodt über ihre gemeinsamen Interessen – und wie man dem Rechtspopulismus gegensteuern könnte.
"Wiener Zeitung": Frau Wodak, Sie haben sich für dieses Interview Ihre beste Freundin, die Bildungsexpertin Heidi Schrodt, gewünscht. Das hat sicher gute Gründe ...
Ruth Wodak: Wir kennen einander seit dem Jahr 1985. Es ist nicht nur die Länge der Zeit, die unsere Freundschaft oder Seelenverwandtschaft ausmacht, sondern es ist vor allem die große Vertrautheit. Wir können einander alles erzählen und wissen, dass dies bei der anderen gut aufgehoben ist. Ich brauche Heidi auch nur anzusehen, um zu wissen, wie es ihr geht.
Heidi Schrodt: Am Telefon hören wir ebenfalls sofort, wie es der anderen geht.
Wodak: Außerdem haben wir eine Bandbreite von Interessen, die uns beide verbinden und die ein Fundament darstellen, dass uns nie langweilig wird. Es gibt immer so viel zu besprechen.
Sie sind auch beide fast am selben Tag geboren.
Schrodt: Ruth ist drei Tage älter als ich, und es ist ein schönes Ritual, dass wir immer rund um unsere Geburtstage einen Tag auswählen und dann gemeinsam feiern.
Wie haben Sie einander kennengelernt?
Schrodt: Der erste Kontakt erfolgte über meinen Mann, der bereits seit 1972 mit Ruth am Institut für Indogermanistik zusammengearbeitet hatte. Ich kannte zwar ihren Namen, aber persönlich kennengelernt haben wir einander erst im Rahmen eines Lehrganges für politische Bildung, den Ruth für Lehrerinnen und Lehrer 1985 gehalten hatte und an dem ich teilgenommen habe. Es war vom ersten Moment ein gegenseitiges Grundverständnis da.
Wodak: Ein verbindendes Moment war sicherlich auch die Tatsache, dass wir zu diesem Zeitpunkt beide einen kleinen Sohn hatten und genau wussten, was es heißt, wenn man einem fordernden Beruf nachgeht und versuchen muss, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Unsere Söhne waren auch sehr eng befreundet.
Schrodt: Wir haben uns oft beim Hietzinger Tor getroffen und sind dann gemeinsam mit den Kindern in Schönbrunn spazieren gegangen.
Wodak: Eine Gemeinsamkeit war sicherlich auch, dass wir beide in Folge der noch jungen Frauenbewegung feministisch eingestellt waren - und noch sind.
Schrodt: Ich habe 1977/78 in Köln gelebt und kam dort durch Zufall in Kontakt mit der Frauenbewegung. Das hat mich sehr geprägt - und du warst in Wien ja sehr aktiv.
Wodak: Ich war in der ersten UniWien-Frauengruppe, die 1975 aus dem Bedürfnis heraus entstand, dass Assistentinnen aus diversen Instituten nicht zum Kaffeemachen herangezogen werden, sondern genauso behandelt werden sollten wie ihre männlichen Kollegen. Wir wollten alle habilitieren, und es war unser Ziel, uns dabei gegenseitig zu unterstützen, gegen das offensichtliche Patriarchat, das damals an den Universitäten vorherrschte. Als ich 1983 meine außerordentliche Professur (§ 31) erlangte, konnte man die Zahl von Professorinnen an der Philosophischen Fakultät an einer Hand abzählen. Damals wurde man als exotische Pflanze betrachtet. Ohne die Firnbergschen Reformen wäre eine größere Öffnung höchst wahrscheinlich nie passiert.
Hatte Ihre Freundschaft auch Auswirkungen auf Ihr berufliches Schaffen?
Wodak: In manchen Punkten sicher. Da ich auch in der Lehrerfortbildung tätig war, lernte ich von Heidi viel über Zusammenhänge und Herausforderungen im Schulsystem und Bildungsbereich.
Schrodt: Das bringt uns zur nächsten großen Gemeinsamkeit - unserem Interesse für Politik.
Wodak: Wir sind beide politisch sehr wachsam und interessiert.
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