© Eva Wahl
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INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 13. März 2015
»Was man liebt, gibt Kraft«
Christine Dobretsberger im Gespräch mit Christine Ostermayer
Die Schauspielerin Christine Ostermayer spricht in einem ihrer seltenen Interviews über den Beginn ihrer Karriere, die Liebe zum Ausdruckstanz - und über die verschiedenen Anforderungen bei Theater, Film und Fernsehen.
Wiener Zeitung": Frau Ostermayer, Sie haben im Vorfeld dieses hier in Ihrer Münchner Wohnung stattfindenden Gesprächs durchklingen lassen, dass Sie sehr ungern Interviews geben und dementsprechend selten - oder besser gesagt, fast nie - auf derlei Anfragen einwilligen. Woher rührt dieser Vorbehalt gegen Interviews?
Christine Ostermayer: Man sollte nur tun, was man kann! Ich kann es nicht, es kommt sicher auch durch meine Schüchternheit. Ich verstecke mich lieber. Ich habe das Schildkrötensyndrom. Das ist für meinen Beruf natürlich nicht sehr günstig. Dazu kommt, ich fing in den 1950er Jahren an, da war alles noch ein bisschen stiller. Außerdem bin ich der Überzeugung, das Publikum sollte sich auf unsere Arbeit konzentrieren und nicht abgelenkt sein durch Privates.
Trotzdem wäre es interessant zu erfahren, was für Sie den Anstoß gab, dass Sie sehr früh bereits einen künstlerischen Weg einschlugen. Gibt es in Ihrer Familie Vorbilder?
Ja. Mein Großvater mütterlicherseits war Italiener und wurde von seiner Mutter mit elf Jahren in Venedig zur Adoption freigegeben. Diese Frau war Zirkustänzerin oder Zirkusreiterin. Mein Großvater hat nie darüber gesprochen. Ich nehme an, dass sie ihm bessere Lebenschancen ermöglichen wollte. Zirkus war ein Hungerberuf. Es ist also durchaus möglich, dass ich von dieser Frau etwas mitbekommen habe?!
Gab es ein spezielles Erlebnis oder eine bestimmte Situation, die in gewisser Weise den Beginn Ihres künstlerischen Werdegangs markiert?
Angefangen hat alles mit meiner schwächlichen Konstitution. Unser Arzt hat meiner Mutter für mich Gymnastik empfohlen. Gymnastik wurde es nicht, aber Tanz bei Willy Fränzl. Sehr schnell wechselte ich dann in das neu gegründete Kindertheater von der wunderbaren Tänzerin Hanna Berger. Kinder spielten für Kinder. Tänzerisch erzählten wir Märchen für Kinder. So stand mein Berufswunsch sehr bald fest: Ich wollte Tänzerin werden. Nach dem Kindertheater folgte ganz selbstverständlich die Tanzausbildung an der Akademie für Musik und darstellende Kunst. Meine Liebe war der Ausdruckstanz, nicht Spitzentanz.
Welche Tänzerinnen und Tänzer waren zum damaligen Zeitpunkt in Sachen Ausdruckstanz tonangebend?
Hanna Berger, Harald Kreutzberg und Martha Graham in New York. Ich spürte, dass das damals in Wien nicht möglich war. Zur selben Zeit tanzte ich im Filmballett am Rosenhügel und hatte die Gelegenheit, die Schauspieler zu beobachten. Da bin ich mutig geworden und habe nach der Tanzabschlussprüfung die Aufnahmeprüfung in das Reinhardt Seminar versucht. Aber ich gab mir keine Chance, weil ich an diesem Vorsprechtag nur schöne Menschen gesehen habe - und ich empfand mich als hässlich und dick. Aber ich hatte Glück und wurde zu meinem Erstaunen aufgenommen. Im zweiten Studienjahr wurde ich unruhig und wollte ganz stark in die Praxis, aber Hans Niederführ, der damalige Leiter des Reinhardt Seminars, war anderer Meinung und wollte es mir nicht erlauben. Trotzdem bat ich die Kollegen, nach ihrem Vorsprechen die Tür einen Spalt offen zu lassen, damit ich reinschlüpfen kann. Aber ich kam nur dazu, meinen Namen zu sagen und was ich vorsprechen möchte - schon kam Hans Niederführ herein und komplimentierte mich hinaus. Sehr bald nach diesem Unglückstag kam ein Anruf aus Essen, ich sollte vorsprechen und der Oberspielleiter aus Essen, dem ich - wie erwähnt -, vorsprechen wollte und nicht durfte, war Heinz Dietrich Kenter.
Hatten Sie Erfolg?
Dieses Vorsprechen - zur Karnevalszeit - war das reinste Desaster. Alles passierte, was ein Engagement verhindert, aber es wurden vier Jahre daraus. Heinz Dietrich Kenter und Intendant Karl Bauer waren die ersten Menschen, die mir ihr Vertrauen schenkten und mir die Möglichkeit gaben, diesen Beruf wirklich zu erlernen.
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