© Franz Svoboda

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 17. Juni 2023

»Ich komme gern ins Gespräch mit Menschen«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Heinz Nußbaumer

Kurz vor seinem 80. Geburtstag zieht der Journalist Heinz Nußbaumer eine Bilanz seines ereignisreichen Lebens.

"Wiener Zeitung": Herr Nußbaumer, Sie haben sich bis zuletzt mit großem persönlichen Engagement für den Erhalt der "Wiener Zeitung" eingesetzt. Bei der Demonstration am 25. April in Wien richteten Sie bei der Abschlusskundgebung auch einen Appell an die Politik. War dies das erste Mal, dass Sie vor dem Bundeskanzleramt gegen eine Regierungsentscheidung demonstriert haben?

Heinz Nußbaumer: Ja, und ich denke mir, in meinem schön langsam dramatisch anmutenden Alter kann ich mir das leisten, weil mich niemand so schnell vom Podium holen wird. An Demonstra-tionen teilgenommen hatte ich zuvor schon zweimal. Das erste Mal Anfang der 1980er Jahre gegen die Nachrüstungspläne von Ronald Reagan, was insofern brisant war, weil ich Reagan ja persönlich kennengelernt hatte. Vor zwei Jahren meldete ich mich in Mödling bei einer Demonstration gegen die Asylpolitik der hiesigen FPÖ-Führung zu Wort.

In Ihrer Rede am Ballhausplatz brachten Sie auch Ihr gemeinsam mit Hugo Portisch formuliertes Ansinnen zur Sprache, die "Wiener Zeitung" zum Weltkulturerbe erheben zu lassen. Was ist Ihr persönlicher Bezug zu dieser Zeitung?

Da gibt es verschiedene Ebenen, ich kannte mehrere ihrer Chefredakteure, auch Kolleginnen und Kollegen - und hielt die Zeitung immer für anständig. Zudem hat sie Themen aufgegriffen, die mich interessieren. Unbestritten ist sie eine unersetzliche Quelle für Geschichts- und Medienwissenschaft. Und ihr Archiv ist ein wahrer Schatz der Zeit- und Zeitungsgeschichte.

Ihre eigene journalistische Karriere begann 1963 bei der "Salzburger Volkszeitung".

Ich habe in Salzburg begonnen, Rechts- und Staatsphilosophie und Kunstgeschichte zu studieren - und musste nebenbei arbeiten, um Geld zu verdienen. Meine Mutter war Kriegswitwe, mein Vater starb ein Monat vor meiner Geburt. Das war für sie so ein Schrecken, dass ich bereits als Kind für meine Mutter eine Art "Ersatz" für den nicht mehr lebenden Vater war - ich bekam auch seinen Vornamen. Er starb als Kriegsberichterstatter, und die Artikel mit seinem - meinem - Namen hatten eine magische Wirkung auf mich. In der Mittelschule habe ich eine Schülerzeitung gegründet, den "Kritikus". Anscheinend hatte sich das damals ein bisschen herumgesprochen und ich bekam vom Chefredakteur der "Salzburger Volkszeitung", Alfred Adrowitzer, das Angebot, Filmkritiken zu verfassen und über kleinere Veranstaltungen zu berichten. 1963 wurde ich dann fix als Redakteur angestellt und war bald der jüngste Salzburger-Festspiel-Kritiker. Im Grunde war das, was ich da geschrieben habe, eine Zumutung - manches würde ich noch heute einstampfen lassen. Man hat mir freie Hand gelassen - und die Leser haben es mir verziehen.

Wie kam es dann zum Wechsel zum "Kurier" nach Wien?

Ich hatte einen Schulfreund, der beim "Kurier" arbeitete. Was ich nicht wusste: Er war es, der manche Reportage von mir aus der "Salzburger Volkszeitung", vor allem eine Israel-Serie, seinem Chef Hugo Portisch auf den Tisch legte und sagte: "Da gibt es einen jungen Journalisten aus Salzburg, den hätten wir gerne hier bei uns." Prompt ist eine Portisch-Einladung für den 1. März 1966 bei mir eingeflattert. Ich weiß noch: Am Lift hat mich der damalige Außenpolitik-Chef Herbert O. Glattauer empfangen, dessen beide Söhne mittlerweile ja sehr erfolgreich sind (Daniel und Niki Glattauer, Anm.). Ich hatte ein Salzburger Trachtenjankerl an - und er meinte: "Wenn Sie zum Chefredakteur gehen, ziehen Sie sich was Gescheiteres an!" Zu meiner Überraschung hat Portisch das aber nicht gestört - und mir angeboten, im Außenpolitik-Ressort zu arbeiten.

War das Ihr favorisiertes Ressort?

Ja, ich hatte das Gefühl: Jetzt bin ich ein Weltbürger! Hugo Portisch war damals für uns das große Vorbild schlechthin. Wir wollten uns nicht nur anziehen wie er, er war der Maßstab für alles. Ich war 23 Jahre und glaube, er hat mich ein bisschen wie einen journalistischen "Sohn" angesehen und mir viel Vertrauen geschenkt. Mein erster großer Einsatz war 1967 der "Sechstagekrieg" um Israel. Vor dem Abflug hat mich Portisch gefragt: "Haben Sie Angst?" Natürlich hatte ich Angst, wer fährt schon gern in den Krieg und noch dazu freiwillig? Da hat er tatsächlich den Chef der 6. US-Flotte im Mittelmeer angerufen, den er gut kannte - und mich beruhigt: Sollte es "eng" werden - Amerikas Navy würde mich herausholen. Ich dachte mir: Was habe ich für einen Chef! Und: Was ist das für ein irres Glück in meinem Leben!

Weiterlesen: Wiener Zeitung

 

zurück « » Seitenanfang