Fotos © Robert Wimmer

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 18. Februar 2012

»Das Fernsehen ist heute die Wirklichkeit«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Teddy Podgorski


Teddy Podgorski über seine Sozialisation im Wiener Lokal "Gutruf", seine schauspielerischen und journalistischen Anfänge, die Zeit als ORF-Generalintendant, heutige Sendungsformate - und seine Namensschöpfung "Zeit im Bild".

"Wiener Zeitung": Herr Podgorski, vor kurzem ist Ihr Hörbuch "Geschichten aus dem Hinterhalt" erschienen, das ein "Best of" Ihrer Erzählungen versammelt, die bis jetzt erschienen sind. Mitunter sind Ihre Schilderungen ziemlich skurril, sodass sich die Frage aufdrängt, wie hoch der Wahrheitsgehalt bzw. der literarische Spielraum dieser Geschichten ist?

Teddy Podgorski: Erst der literarische Spielraum macht eine Geschichte wahr.

Dies gilt somit auch für jenen Mann, dessen Flugbegeisterung so weit ging, dass er sich in seiner Wohnung ein Segelflugzeug in Originalgröße gebastelt hat?

Selbstverständlich! Das war mein Fluglehrer. Aber die Geschichte ist ja, dass er mit diesem Flugzeug abgestürzt ist und wieder eines gebaut hat. In der Wohnung.

Dreh- und Angelpunkt vieler Geschichten ist das Wiener Innenstadtlokal Gutruf, das ab den 1950er Jahren Treffpunkt namhafter Künstler war. Was musste man für Talente mitbringen, um in den illustren Kreis der sogenannten "Gutrufianer" aufgenommen zu werden?

Talente eigentlich nicht, sondern Beziehungen - Beziehungen zu einem dieser dort ansässigen Platzhirsche. Ich war damals mit Helmut Qualtinger befreundet - und er hat mich ins Gutruf mitgenommen.

In welchem Jahr war das?

1959, da war das Gutruf ein Hinterzimmer in einem Delikatessengeschäft, aber eben deswegen hochinteressant, weil dort die Elite der österreichischen Künstler erschienen ist, wie etwa Wotruba, Hundertwasser, Artmann, Mikl, Prachensky und viele Schauspieler und Journalisten.

Woher kannten Sie Qualtinger?

Ich lernte Qualtinger kennen, als ich Sprecher beim Radiosender Rot-Weiß-Rot war. Er machte dort kabarettistische Sendungen. Qualtinger war, wie gesagt, einer jener Platzhirsche im Gutruf, wo sich im Laufe der Jahre so etwas wie eine Rangordnung der Werte entwickelt hatte, eine Art Gutruf-Qualitätsprüfungszeichen.

Wie war das zu verstehen?

Wenn eine Arbeit im Gutruf-Kollektiv für gut befunden wurde, das heißt, wenn sie nicht verrissen oder verlacht wurde, konnte man sicher sein, dass sie gut war.

Ex-ÖVP-Generalsekretär Michael Graff bezeichnete die Clique, die im Gutruf verkehrte, einmal als "Gutruf-Kommunisten".

Ja, ich weiß aber bis heute nicht warum. Natürlich war dieser ganze Kreis progressiver als ein Kartellverband, aber diese Bezeichnung war lächerlich.

weiterlesen: Wiener Zeitung




 

zurück « » Seitenanfang