Fotos © Robert Wimmer

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 24. März 2012

»Literatur ist ein Spiel mit Möglichkeiten«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Peter Henisch


Der Schriftsteller Peter Henisch schildert, wie es in seinem Roman "Vom Wunsch, Indianer zu werden" zu einem Treffen zwischen Karl May und Franz Kafka kam, und er denkt über die Rolle der Phantasie in der Literatur nach.

Wiener Zeitung: Herr Henisch, anlässlich des 100. Todestages von Karl May kam es zu einer überarbeiteten Neuauflage Ihres Buches "Vom Wunsch, Indianer zu werden". In diesem Werk arrangieren Sie ein fiktives Zusammentreffen von Franz Kafka, Karl May und dessen zweiter Ehefrau Klara. Schauplatz des Geschehens ist ein Schiff, das von Bremerhaven nach New York unterwegs ist. Wie kamen Sie darauf, sich just für diese Protagonisten zu entscheiden?

Peter Henisch: Es ist mir reizvoll erschienen, zwei auf den ersten Blick völlig diametrale Literaturfiguren zusammenzubringen. Wobei ein Zusammentreffen von May und Kafka unter gewissen Umständen tatsächlich hätte stattfinden können. Karl und Klara May sind im Jahr 1908 auf einem Dampfer von Bremerhaven nach New York gefahren. Das war, nebenbei bemerkt, Karl Mays erste reale Amerikareise.

Also lange nachdem er bereits eine Vielzahl an Reiseerzählungen über den Wilden Westen verfasst hatte.

Ja, sämtliche Reisen, die er bis zu diesem Zeitpunkt beschrieben hatte, waren im Großen und Ganzen Phantasie- oder Geistreisen. Das Ehepaar May war auf dieser Amerikareise übrigens unter dem Pseudonym Burton unterwegs.

Dieses Pseudonym ist kein Zufall . . .

. . . nein, Richard Francis Burton war ein berühmter Weltreisender des 19. Jahrhunderts, der seine Reiseeindrücke auch sehr emsig zu Papier gebracht hatte. Karl May hat sich dieses Material zunutze gemacht und recht fleißig davon abgeschrieben.

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