Fotos © Robert Wimmer
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INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 1. Dezember 2012
»Auch das Böse hat eine große Pracht«
Christine Dobretsberger im Gespräch mit Arik Brauer
Der Maler und Sänger Arik Brauer über seine Erzählwut, die Natur und das Alte Testament als Quellen seiner Kunst, über die Anfänge des Phantastischen Realismus - und warum er seine Karriere als Dialektsänger nicht fortsetzte.
"Wiener Zeitung": Herr Brauer, wir befinden uns in Ihrem Privatmuseum, das sie vor rund zehn Jahren in Ihrer Villa in Währing errichtet haben. Ich habe gelesen, dass diese Initiative von Ihrer Frau ausging?
Arik Brauer: Das ist richtig, sie wollte unbedingt, dass meine Werke platziert sind und nicht in einem Keller herumstehen. Aber es ist eigentlich ein Teil vom Atelier, obwohl es aussieht wie ein Museum. Es kommen auch viele Gäste. Ich plaudere dann ein bisschen mit den Leuten und mache eine Führung.
Ihre Werke kann man hier nur nach Voranmeldung besichtigen?
Ja, hauptsächlich kommen Kulturorganisationen und Vereine.
Wenn man Ihre Gemälde aus nächster Nähe betrachtet, bemerkt man erst die Fülle an wild wuchernden Details. Im Grunde müsste man sich die einzelnen Bildausschnitte mit dem Vergrößerungsglas ansehen.
Ich male sie teilweise auch mit dem Vergrößerungsglas. Das ist meine Erzählwut. Und ich male mit einem Konzept, muss vorab um die Themen wissen, die ich erzählen will, und diese Erzählung ist dann immer verschlüsselt. Es ist nie wie bei einem Plakat, bei dem man auf den ersten Blick weiß, was die Botschaft ist. Aber das ist mir auch gar nicht wichtig. Wenn mich jemand fragt, worum es mir in diesem Bild geht, sage ich ihm, was ich mir dabei gedacht habe. Was er sich denkt, ist mir ebenso willkommen.
Warum malen Sie auf Platten und nicht auf Leinwand?
Die Leinwand ist für mich einfach zu rau.
Für die kleinen Details?
Ja, ein Auge ist unter Umständen kleiner als das Korn vom Leinen.
Wie lange arbeiten Sie im Schnitt an einem Gemälde?
Ich male nicht an einem Bild, sondern immer an mehreren Arbeiten gleichzeitig und lasse sie dann monatelang stehen. Dann arbeite ich weiter und die Phantasie beginnt sich immer mehr zu entzünden. So entsteht dieses Wuchernde, das ich ja anstrebe. Wenn ich es zusammenfassen würde, dauert ein Bild von drei Quadratmetern sicher zwei Monate. Aber ich habe in meinem Leben sowohl Miniaturen in der Größe von Fingernägeln gemalt, als auch das, wie ich glaube, größte Bild der Welt.
Wo kann man das sehen?
In Israel an einem Gebäudekomplex, den ich gemeinsam mit Architekten entworfen habe. Die 500 Quadratmeter große Fassade wurde von mir mit auf Fliesen gebrannter Malerei gestaltet. Das war sicher ein Höhepunkt in meinem Leben.
Generell befassen Sie sich in Ihrem künstlerischen Schaffen mit drei großen Themen: der gefährdeten Umwelt, den Kriegen und dem Alten Testament.
Die Natur ist natürlich die Quelle für alles. Das ist ja ganz klar. Jeder Mensch weiß das. Ohne Regenwürmer, ohne Mikroben würden wir nicht existieren. Die Welt ist eine Einheit, aber das sind ja lauter Dinge, die bekannt sind. Aber man muss das natürlich auch empfinden. Dass der Kosmos ein geschlossenes System ist, mit dieser Einsicht muss man intensiv leben. Diese Vorstellung, die mit uns herangewachsen ist im Laufe der Zivilisation, dass wir "die Krone der Schöpfung" sind und alles machen können, was wir wollen, das stellt sich ja in zunehmendem Maße als falsch und lebensgefährlich heraus. Die Tatsache, dass wir drauf und dran sind, alles kaputt zu machen, erlebe ich als die Katastrophe schlechthin. Die meisten Menschen sind von diesen hochaktuellen Themen berührt - und natürlich drückt sich das auch in der Kunst aus.
Kriege sind leider auch immer ein Thema . . .
Ich habe ja nicht nur den Zweiten Weltkrieg, sondern auch in Israel drei Kriege erlebt, und zwar hautnah. Und ich weiß, was das ist - Krieg: Es ist wirklich das Gegenteil von allem - und lässt tiefe Narben zurück, selbst wenn einem persönlich nichts passiert ist. Auch viele Soldaten, die mit dem Leben davongekommen sind, werden nie wieder gesund. Krieg macht deutlich, zu welchen Taten Menschen imstande sind. Wer Kriege erlebt hat, beginnt an seinem Menschenbild zu zweifeln.
In Ihrer Malerei kommt die Kriegsthematik bisweilen erst bei näherer Betrachtung zum Vorschein.
Oft male ich Kriegsgeschehen so, dass es von der Ferne wie ein Blumenstrauß aussieht. Erst wenn man sich mit dem Bild wirklich beschäftigt, merkt man, was sich hier eigentlich abspielt. Das heißt, ich gehe nicht davon aus, dass das Böse ausschließlich schwarz ist. Das Böse hat ja auch eine große Pracht. Schon in der Bibel steht, dass Satan der schönste aller Engel war. Das ist ein kluger Ausspruch. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Atompilz das Grandioseste ist, was man sich vorstellen kann, und zugleich auch das Schrecklichste. Gerade darin liegt das absolute Entsetzen. Meine Kriegsbilder haben allerdings immer auch dieses Tröstende an der Natur. Ich habe das oft erlebt: Kaum ist für zehn Minuten Waffenruhe, beginnen sofort die Grillen zu zirpen und die Vögel zu singen. Und die Blumen blühen sowieso besser als im Frieden, weil die Felder nicht gepflügt werden.
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