Fotos © Robert Wimmer

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 2. November 2013

»Für mich ist Sprache große Musik«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Maria Happel

Die Schauspielerin und Regisseurin Maria Happel beschreibt die Vorteile der künstlerischen Vielseitigkeit und erklärt, warum Wien für Theatermenschen nach wie vor die beste Stadt ist.

"Wiener Zeitung": Wir befinden uns hier in Ihrer Künstlergarderobe im Burgtheater. Dass Sie sich unmittelbar vor Ihrem Auftritt als Glücksfee Fortuna in Nestroys Zauberposse "Der böse Geist Lumpazivagabundus" Zeit für unser Gespräch nehmen, deutet auf gute Nerven hin?

Maria Happel: Wie Drahtseile! Ich habe einfach gelernt, mich gut zu organisieren und bin auch in der Lage, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Bereits als Schülerin habe ich mich am Nachmittag ans Klavier gesetzt und anstelle der Noten das Geschichtsbuch aufgeschlagen. Während ich meine Fingerübungen machte, lernte ich für die nächste Schularbeit. Auf diese Weise habe ich ganze Bücher auswendig gelernt.

Wie erklären Sie sich dieses Multitasking-Talent?

Das ist sicherlich eine eigene Begabung. Vielleicht habe ich das Glück, dass die Synapsen anders schließen. Eine andere Erklärung dafür könnte sein, dass ich als Kind nicht nur Klavier, sondern auch Orgel gelernt habe. Im Orgelspiel verzweigt und multipliziert sich ja alles. Die rechte von der linken Hand unabhängig zu machen und mit den Pedalen zu koordinieren kennt man ja vom Klavierspiel. Bei der Orgel kommen dann aber noch die verschiedenen Manuale und das Registrieren hinzu. Und wenn man, so wie ich, in der Kirche gespielt hat, muss man zusätzlich noch darauf achten, was der Pfarrer gerade erzählt, damit man den Einsatz nicht verpasst. Orgelspiel ist ein Ganzkörpereinsatz und das Gehirn wird unglaublich geschult und trainiert.

Sie sind in der laufenden Spielzeit in sieben Aufführungen zu sehen. Wenn man die bevorstehende Premiere der "Mutter Courage" hinzurechnet, sind es gar acht. Verliert man da nicht selbst manchmal den Überblick?

Bisweilen ist es schon so, dass ich das Gefühl habe, ich müsste von der Festplatte einmal was löschen. Sie ist voll. Aber ich nehme mir dann auch Auszeiten, wenngleich die momentan wirklich knapp bemessen sind, das gebe ich zu. Und das macht mich zwischenzeitlich auch sehr traurig, wenn ich beispielsweise nicht zu den Schulaufführungen meiner Töchter kann, weil ich abends ins Theater muss. Aber trotz allem gibt es zwischendurch immer den einen oder anderen Sonntag, wo ich weiß, ich habe keine Vorstellung oder Proben. Dann gehe ich gar nicht aus dem Haus. Und abgesehen von einem großen Frühstück mit der Familie versuche ich zu schweigen, damit sich die Stimme erholt. Aber wenn man gerade ein neues Stück erarbeitet, muss man sich eine Zeit lang sehr disziplinieren. Nach einer Premiere wird das Leben wieder leichter.

Am 8. November ist Premiere von Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder" am Burgtheater. Sie spielen die Hauptrolle. Wie freundeten Sie sich mit der Rolle der Anna Fierling an?

Das ist schon eine dieser Rollen, wo man sagt, das würde ich im Schauspielerleben gerne einmal spielen. Da braucht man sich gar nicht anzufreunden. Oder vielleicht stimmt das gar nicht. Vielleicht muss man sich umso mehr anfreunden, weil man so viel Respekt davor hat, zumal es viele großartige Frauen gab, die diese Rolle verkörpert haben. An die "Mutter Courage" sind viele Erwartungen geknüpft. Aber im Prinzip versuche ich das zu vergessen und bin an diese Rolle wie an jede andere herangegangen.

Was ist für Sie persönlich der spezielle Reiz dieser Rolle?

Dass sie eine Entsprechung zu den ganz großen Männerrollen ist. Bei den Männern kommen die großen Rollen erst im Alter, der King Lear oder der Nathan. Bei den Frauen ist das schwieriger, da dünnen sich die großen Rollen mit zunehmendem Alter aus. Die "Mutter Courage" oder "Harold und Maude" bilden da eine Ausnahme.

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