Fotos: ⓒ Robert Wimmer

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 25. Jänner 2014

»Ich nenne Namen, wenn es zur Sache geht«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Antonio Fian

Der Schriftsteller Antonio Fian berichtet über seinen neuen Roman, "Das Polykrates-Syndrom", er erklärt, warum ihn die Form des Dramoletts so anhaltend beschäftigt und erinnert an seinen langjährigen Freund und Autorkollegen Werner Kofler.

"Wiener Zeitung": Herr Fian, nach der Lektüre Ihres neuen Romans "Das Polykrates-Syndrom" drängt sich zu Beginn die Frage auf: Sind Sie ein abergläubischer Mensch?

Antonio Fian: In der Silvesternacht achte ich darauf, dass keine Wäsche zum Trocknen hängt. Mit der Wilden Jagd und der Tödin ist nicht zu spaßen, wie man aus den Kärntner Sagen weiß.

Und wie halten Sie persönlich es mit dem sogenannten "Polykrates-Syndrom", also jener Mutmaßung, die Ihrem Roman zugrunde liegt, wonach allzu großes Glück möglicherweise größtmögliches Unglück nach sich ziehe?

Mich wundert, dass es in der medizinischen Literatur dieses Krankheitsbild nicht schon längst gibt. Es drängt sich gerade in den reichen westlichen Staaten doch auf. Man sieht, wie schrecklich es den Leuten rundherum geht, und selber geht es einem extrem gut. Erstaunlich, dass nicht mehr Leute Angst haben, dass diese Situation plötzlich kippt.

Dass eine Glückssträhne den umso gewisseren tiefen Sturz befürchten lässt, thematisierte bereits Schiller in der Ballade "Der Ring des Polykrates".

Und Schiller nutzte als Vorlage eine Passage im III. Buch der "Historien" Herodots, wonach der einst so glücksgesegnete griechische Tyrann Polykrates letzten Endes auf so grausame Weise umgebracht wurde, dass Herodot das nicht näher beschreiben wollte.

Was hat Sie an diesem Thema fasziniert, dass Sie es zur Rahmenhandlung Ihres Romans machten?

Der Stoff war ursprünglich für einen Fernsehfilm gedacht. Aber der ORF wollte ihn dann doch nicht, und ich habe gedacht, eigentlich schade um die Geschichte. So war die Idee geboren, einen Roman daraus zu machen.

Wann begannen Sie an dem Roman zu schreiben?

Vor ungefähr zehn Jahren. Dazwischen gab es immer sehr lange Pausen. Ich habe das Projekt aber nie aus den Augen verloren.

Die Entstehungsgeschichte Ihres ersten Romans "Schratt", der 1992 erschien, erstreckte sich ebenfalls über zehn Jahre.

Ich hätte nach "Schratt" nicht gedacht, dass ich noch jemals einen Roman schreiben würde. Ich bin nicht unbedingt ein Romanschreiber, ich bin zu ungeduldig. Aber wenn ein langer Text dann tatsächlich fertig ist, hat das natürlich was.

Kurz zusammengefasst dreht sich Ihr Roman um einen verheirateten Mann namens Artur, der eine Affäre mit einer jungen Frau beginnt, woraufhin sein bislang unaufgeregtes Leben total aus den Fugen gerät. Vor dem Hintergrund des "Polykrates-Syndroms" stellt sich prinzipiell die Frage, ob man eine Affäre als glückliche Wendung des Schicksals bezeichnen möchte?

Ich denke, dieser Artur will einfach einmal ausbrechen aus seinem langweiligen Leben. Ein eigentlich sehr durchschnittlicher Wunsch. Noch dazu gefällt ihm diese Frau ja sehr gut und zeigt ihm eine völlig andere Lebenshaltung.

Als Leser gewinnt man allerdings nicht den Eindruck, dass der Protagonist auf einer Glückswelle schwimmt. So gesehen, bräuchte er vielleicht gar nicht so eine große Angst zu haben, dass sich das Schicksal zum Schlechten wendet?

Diese Angst begleitet ihn ständig und hat im Grunde nichts mit dieser Affäre zu tun. Artur ist polykrateskrank, und ein Polykrateskranker glaubt immer, zuviel Glück zu haben, auch wenn es ihm schon ziemlich dreckig geht.

Ohne zu viel vom Inhalt des Buches verraten zu wollen, würde mich Ihre Einschätzung interessieren, ob das Schicksal für Artur in Zukunft eher Glück oder Unglück bereit hält?

Das weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht genau, wie die Geschichte ausgeht. Niemand kann das wissen.

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