Fotos: © Robert Wimmer

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 10. August 2018

»Man ist ja selber wie eine Melodie«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Christl Lieben und Nadja Maleh

"Seelenverwandte" (Folge 2): Die Psychotherapeutin Christl Lieben und die Kabarettistin Nadja Maleh über Wesensähnlichkeiten, Resonanzen, Humor in allen Lagen - und die Inszenierungen des Lebens.

"Wiener Zeitung": Frau Maleh, Sie haben vor einiger Zeit eine Rezension über Christl Liebens Buch "Die Liebe kommt aus dem Nichts" geschrieben. Beim Lesen dieser Zeilen hatte ich den Eindruck, dass Ihnen dieses Buch sehr nahe gegangen ist . . .

Nadja Maleh: Ja, auf jeden Fall! Dieses Buch hat mich auf vielen Ebenen sehr berührt.

Christl Lieben: Wie sind Sie überhaupt auf mein Buch aufmerksam geworden?

Maleh: Ich gehe oft intuitiv in eine Buchhandlung und greife immer zum richtigen Buch. Es war keine Empfehlung, ich habe es einfach gesehen und dachte: Das! So ist ganz viel in meinem Leben. Beim Lesen war da sicher das Gefühl einer Seelenverwandtschaft zu Ihnen. Aber von Ihnen zu mir?

Lieben: Schon auch. Ich war vor kurzem bei Ihrem Abend im Wiener Lokal CasaNova und da hat mir sehr gut gefallen, wie Sie die Frauen dargestellt haben. Meistens sind die Frauen ja das Opfer der Welt, gerade jetzt. Sie haben aber die Kraft, die Souveränität und Eigenständigkeit der Frauen herausgestellt. Das war sofort ein Faden zu Ihnen! Es war auch herrlich, wie Sie gesagt haben, die Frauen betrügen ihre Männer genauso wie die Männer ihre Frauen, nur sind sie geschickter. Wunderbar!

Frau Lieben, sich mit seelischen Dingen auseinanderzusetzen ist Ihr Beruf. Wie denken Sie prinzipiell über das Thema Seelenverwandtschaften? Woher rührt dieses Gefühl, das wohl jeder schon erlebt hat: Man trifft einen Menschen zum ersten Mal in seinem Leben und hat den Eindruck, ihn schon ewig zu kennen. Ist das ein Zufall oder hat das mit besonderer Sensibilität zu tun?

Lieben: Nein, es ist eine Resonanz, eigentlich ein Resonanzeffekt. Wir haben unterschiedliche innere Verfassungen und dann treffen wir jemanden, der mit seiner Verfassung in dieses Schema hineinpasst. Hinzu kommen ähnliche Anlagen, vielleicht ein ähnliches Schicksal. All das schwingt dann zusammen und ergibt das Gefühl, sich sozusagen ewig zu kennen. Diese Verwandtschaft und plötzliche Nähe kennen wir alle - mit Männern und Frauen. So etwas ist wahnsinnig schön, weil man muss sich nichts erklären.

Maleh: Für mich ist es auch so: Man ist ja selber wie ein Lied, eine Melodie - und dann hört man ein Lied oder eine Melodie und das harmoniert und ergibt dann zusammen etwas Zweistimmiges oder einen Chor.

Lieben: Oder eine gemeinsame Melodie.

Maleh: Und so erging es mir beim Lesen Ihres Buches. Es gab einfach einige Parallelen, in denen ich mich wiedererkannt habe. Auch Fragen, die ich gerade gehabt habe, wurden neu beleuchtet.

weiterlesen: Wiener Zeitung

 

zurück « » Seitenanfang