Fotos: © Robert Wimmer

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 22. Dezember 2018

»Mut müssen wir täglich neu lernen«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Melanie Wolfers

Die Seelsorgerin und Bestsellerautorin Melanie Wolfers über Leben aus einer tieferen Quelle - und über die Herausforderung von Weihnachten.

"Wiener Zeitung": Frau Wolfers, vor kurzem ist Ihr neues Buch, "Trau dich, es ist dein Leben", erschienen, in dem Sie dazu motivieren, mutiger und beherzter durchs Leben zu gehen. Würden Sie sich selbst als mutigen Menschen bezeichnen?

Melanie Wolfers: Grundsätzlich bin ich sicher ein Mensch, der neugierig ist, viel vom Leben möchte und häufig die Dinge guten Mutes angeht. Zugleich sind mir Situationen, in denen ich Angst habe, natürlich nicht fremd, und damit meine ich nicht nur große Entscheidungen. Auch im Alltag gibt es immer wieder ganz konkrete Situationen, in denen ich merke: Die Angst ist gerade ziemlich vorlaut, und dann versuche ich da ein bisschen näher hinzusehen und mich zu fragen, wie ich vielleicht ein Stückchen beherzter leben könnte.

Welcher Schritt in Ihrem Leben hat Ihnen bisher den meisten Mut abgerungen?

Im Hinblick auf große Weichenstellungen war das sicher meine Entscheidung, in den Orden der Salvatorianerinnen einzutreten. Ich brach hinter mir die Zelte ab, bin von München nach Österreich übersiedelt, und war mir dabei aber nicht ganz sicher, ob das wirklich meine Gemeinschaft ist. Ich wusste nur: Wenn ich jetzt nicht den Schritt wage, dann lebe ich an etwas vorbei, wohin mein Herz mich ruft.

Sie sind an der Ostsee aufgewachsen. Bevor Sie auf die Welt kamen, dürften Ihre Eltern einen ziemlichen Mut zur Veränderung gehabt haben . . .

Ja, meine Eltern sind Anfang der 1960er Jahre mit dem Schiff über den Suez-Kanal nach Tansania gefahren - und dann weiter mit dem Jeep in den Busch. Dort gab es weder Telefon noch Fax. Sie sind mit meinen drei ältesten Geschwistern dorthin übersiedelt, und mein jüngster Bruder wurde in Afrika geboren. Da war sicher Abenteuerlust im Spiel. Vor allem wollten meine Eltern ihre Kräfte für Menschen zur Verfügung stellen, die es notwendig brauchen.

Was haben Ihre Eltern in Afrika gemacht?

Sie haben in einer Missionsstation der Benediktiner als Arzt und als Lehrerin gearbeitet. Ich habe als Kind insofern etwas von dieser Zeit mitgekriegt, weil immer wieder Ordensleute von dort zu uns auf Besuch kamen. Ich habe kernige Menschen kennengelernt, und in mir ist dieses Bild entstanden: Christsein heißt, die Hände falten und die Ärmel hochkrempeln. Also aus der Stille leben, aus dem Versuch, aus der inneren Mitte, aus der Beziehung mit Gott heraus das Leben zu gestalten. Und gleichzeitig die Ärmel hochkrempeln, also das Leben aktiv in die Hand nehmen, schauen, dass die Welt ein Stückchen heiler, menschlicher, lichter wird. Das fand ich sehr anziehend.

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