Fotos: © Robert Wimmer

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 9. März 2019

»Man schreibt doch total ins Blaue!«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Dietmar Grieser

Der Schriftsteller und Journalist, der am 9. März 85 Jahre alt wird, über seine Kindheit, die Sehnsucht nach dem Vater, die Mühsal des Schreibens, den Kontakt zum vorwiegend weiblichen Publikum - und das Nichtstun.

"Wiener Zeitung": Herr Grieser, in Ihrem jüngsten Buch, "Was bleibt, ist die Liebe", spüren Sie am Beispiel namhafter Persönlichkeiten der Liebe in all ihren Facetten nach. Sie schenken dem Leser auch Einblicke in Ihre eigene Kindheit. Ist es Ihnen schwergefallen, dieses Mal auch ein bisschen von sich selbst zu erzählen?

Dietmar Grieser: Ich würde sagen, meine Triebkräfte sind erstens einmal das Schnüffeln, das Recherchieren, da gibt es einen Jagdtrieb bei einem an sich schüchternen Menschen. Das kostet mich schon Überwindung. Aber der Jagdtrieb, zum Beispiel in Peru Thornton Wilders "Brücke von San Luis Rey" zu finden, ist dann stärker. Bevor ich dann zu schreiben beginne, erzähle ich von den Recherchen in meinem Umkreis. Ich bin eine Plaudertasche, auch was das eigene Leben betrifft, davon erzähle ich gerne.

Hatten Sie schon als Kind dieses Mitteilungsbedürfnis?

Dem habe ich schon als Kind nachgegeben. Unter dem Gespött meiner beiden älteren Brüder habe ich meine Tanten besucht, interessanterweise nie meine Onkel. Es gab Verwandte im Saarland und in der Pfalz, die ich dann für zwei, drei Tage besucht habe und wo ich auch durchgefüttert wurde. Bei der Abreise bekam ich Proviant mit, den mir meine Brüder dann natürlich sofort aus der Hand gerissen haben.

Steckte hinter diesen Verwandtschaftsbesuchen vielleicht auch der Wunsch wegzufahren?

Ja, sicherlich, ein bisschen Abstand vom Elend der Familie zu bekommen. Die Krankheit meines Vaters war schon dominierend.

Ihr Vater ist 1952, kurz vor Ihrem Abitur, früh verstorben.

Ich vermisse ihn sehr! Man wird in Interviews ja immer wieder gefragt, wen man gerne treffen würde. Dann sage ich immer: Bitte meinen Vater! Ich habe so viele Fragen an ihn, die ich alle zu Lebzeiten nicht stellen konnte. Es gibt da eine Geschichte, die mich sehr aufgewühlt hat. Ich wusste, dass mein Vater geschrieben hat, und zwar Reiseaufzeichnungen. Er hat spät geheiratet, war schon im Ersten Weltkrieg im Einsatz und hat die Zeit nach dem Krieg offensichtlich für seine Aufzeichnungen genutzt. Es gab von ihm ein maschinengeschriebenes 30-seitiges Manuskript, das dann irgendwie nicht auffindbar war, was unheimlich schade war, weil es bei mir ja zunächst auch in Richtung Reiseberichte lief. Und dann beim Aufräumen im Kammerl finde ich es! Ich bin sofort in den Copyshop gerannt, damit das gesichert ist. So wie ich übrigens auch meine eigenen Texte immer sichere.

Wie darf man sich das vorstellen?

Ich habe in der Bank einen Safe - nicht für Schmuck oder sonstige Wertgegenstände, sondern alles, was ich im Moment schreibe, wird kopiert und im Banksafe deponiert. Nicht weil es so wertvoll ist, sondern ich habe eine Geschichte in Erinnerung, die mir nahe gegangen ist. Für eine meiner Recherchen habe ich die Witwe von C. W. Ceram interviewt. Sein Buch "Götter, Gräber und Gelehrte" war nach dem Krieg der erste deutsche Weltbestseller. Seine Frau erzählte mir, dass während er an seinem nächsten Buch gearbeitet hatte, im Haus ein Brand ausbrach und alles vernichtet war. Auch wenn ich mich nicht mit Ceram vergleichen darf, soll mir das nicht passieren! Ich will nicht umsonst gearbeitet haben.
(Interview-Auszug)

 

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